Mit Positionen von:
Lennart Cleemann
Hannah Cooke
Javier Klaus Gastelum
Schirin Kretschmann
Agnes Müller
Jochen Wagner
Lennart Cleemann
nom nom nom
Lennart Cleemann entwickelte im Dialog mit der Architektur der Städtischen Galerie diese raumfüllende Installation aus rohen Holzbalken, die auf Grundriss und Atmosphäre des Hauses reagiert. Die neue Struktur breitet sich im Erdgeschoss weitläufig aus, greift in die bestehende Architektur ein und verzahnt sich mit ihr.
Dabei verdeutlicht die Arbeit den ungewöhnlichen Knick im Grundriss, der durch die schiefe Achse der Straßen bedingt ist oder die unterschiedlichen Höhen der Raumdecken.
Mit dieser ortsspezifischen Installation ohne expliziten Eingang schließt Cleemann das Volumen des Raumes ein und reift Fragen nach Innen und Außen, nach Inklusion und Exklusion der Institution auf.
Die Installation darf betreten werden.
Hannah Cooke
Mind the Gap
Hannah Cooks Installation eines überdimensionierten, in ruhigem Takt hin- und her schwingenden Pendels aus purem Messing verwehrt den Besuchenden den unmittelbaren Eintritt zur Ausstellung und zwingt sie zum Innehalten, um den richtigen Zeitpunkt des Passierens abzupassen.
Mit dieser Arbeit spielt Hannah Cooke unter anderem auf die wechselvolle Geschichte des Gebäudes der heutigen Städtischen Galerie an. Ursprünglich als Privatvilla konzipiert eröffnete hier vor genau 60 Jahren das Hellmut-Kienzle Uhrenmuseum.
Ada vs Abramović / Ada vs Emin
Die beiden im Loop präsentierten Zeitlupenvideos zeigen Hannah Cooke beim Stillen ihrer Tochter Ada in zwei ausstellungsähnlichen Umgebungen.
Mit diesen Videoarbeit möchte Cooke ein positives Gegenstatement zu Aussagen der beiden Künstlerinnen-Ikonen Abramović und Emin schaffen, dass Mutterschaft und Künstlerin sein nicht miteinander vereinbar wären. Auf humorvolle Weise hinterfragt Cooke dabei etablierte Machtstrukturen im Betriebssystem Kunst.
Im ersten Video sitzt Cooke scheinbar Marina Abramović gegenüber, als diese 2010 im New Yorker Moma ihre Performance “The Artist is Present“, realisierte. Im zweiten sitzt Hannah Cooke mit Ada auf einem verwüsteten Bett, das jenem aus Tracey Emins Installation „My Bed“ nachempfunden ist.
Javier Klaus Gastelum
Vertical Shift
Wie in einem Trompe l’oeil eröffnen sich durch diese Fotografien von Javier Klaus Gastelum – welche die gesamte Ausstellungswand im 1. OG der Galerie jeweils von vorne und von hinten bedecken – scheinbar neue Ein- und Ausgänge zur Institution.
Die beiden Motive bilden genau die Schwelle ab, an der Besucher*innen im Erdgeschoss des Gebäudes – eine Etage tiefer – in den Ausstellungsbereich eintreten. Während sich Javier Klaus Gastelum in dieser Arbeit auf die physischen Schwellen im Ausstellungsbetrieb konzentriert, diskutiert er in den Fotografien aus der Serie 9160 die mentalen Zugänge zur Kunst.
Aus der Serie: 9160
Javier Klaus Gastelum nimmt in seiner Arbeit Rezeption und Lesbarkeit zeitgenössischer Kunst in den Blick. In der Bibliothek der Städtischen Galerie, die im Obergeschoss des Gebäudes untergebracht ist, realisierte er fünf Fotografien, die Bücher abbilden, auf denen Schlagworte wir „Sammlung“, „performing institutions“ oder „Leben und Werk“ zu lesen sind.
Die Fotografien hinterfragen, welches Wissen zu Grunde gelegt wird, um künstlerische Arbeiten zu rezipieren. Wie wird dieses Wissen organisiert? Wozu dient es? Wer hat Zugriff darauf? Die Serie „9160“ steht dabei für die Anzahl der Bücher im Bestand der Städtischen Galerie im August 2021.
Schirin Kretschmann
We are the Robots
Videoausschnitt aus Schirin Kretschmanns „We are the Robots“:
Schirin Kretschmann betraut in dieser Arbeit einen automatisierten Staubsauger mit der Aufgabe, mögliche Bewegungsspielräume durch die Städtische Galerie zu erkunden. Per Zufallsprinzip wählte der Sauger seine Route durch die Räumlichkeiten und bewegte sich – unbeachtet ihrer Hierarchien – durch Galerieräume, Abstellkammer oder Toilette. Seine Bewegungen durch den Raum wurden mit einer auf ihm befestigten, die Decke filmende Kamera aufgezeichnet. Das Ergebnis dieser Situationsstudie zeigt Kretschmann in ihrer großformatigen Videoarbeit im Eingang der Galerieräume.
Blank (III)
Diese Arbeit aus fein gesiebtem Gipsstaub ist ein Resultat der Raumstudie, die Schirin Kretschmann mit ihrer Videoarbeit „We are the Robots“ (zu sehen im Erdgeschoss der Galerie) durchgeführt hat.
Der im Video agierende Saugroboter fuhr so lange geradeaus durch die Räume der Galerie, bis er an eine Barriere stieß – eine Fußbodenleiste der Wand, eine Tür, eine Treppenstufe, ein Heizungsrohr. Über eingebaute Sensoren ermittelt er den jeweiligen Berührungspunkt, dreht sich in einem durch Zufallsgenerator ermittelten Winkel um die eigene Achse, und setzt seine Fahrt fort.
Eine exemplarische Bewegungsroute dieses Saugroboters hat Schirin Kretschmann in „Blank (III)“ nachgezeichnet. Mit ihren geraden Linien und ihrer fragilen Materialität speichert die gesiebte Fläche im Verlauf der Ausstellung Handlungen und Dinge, die sich scheinbar unbeobachtet Tag und Nacht im Raum bewegen, wie ein Detektor der vergehenden Zeit.
Queren
Die mobile Arbeit „Queren“ von Agnes Müller steht in Korrespondenz zur in situ-Arbeit „Querung“.
Die mit Bauschutzmatten beladene Schubkarre ist dabei als Einladung für Besucher*innen zu verstehen, sich an dem Prozess des Legens, Bewegens und Umräumens der Matten zu beteiligen und sich so für das Thema des Fußgängerüberwegs als Brücke und Schutzraum zu sensibilisieren.
Gehwege
Agnes Müllers performative Arbeit ist geprägt von dem Umherstreifen. Gehen im Raum ist für sie ebenso performativer Akt, wie das Ziehen einer Linie.
Die 13-teilige Arbeit entstand in Auseinandersetzung mit der Thematik der Schwellenüberschreitung, die die Künstlerin in ihrer Arbeit „Querung“ im Vorgarten der Galerie realisiert hat. Mit jeweils einem Begriff und einer reduzierten Zeichnung beschreibt sie 13 unterschiedliche Möglichkeiten des Umgangs (mit) einer Hürde. Die Künstlerin untersucht darin die Möglichkeit der Überschreitung von Grenzen und zeigt, welche Bewegungsabläufe dabei denkbar sind.
Agnes Müller hat die Arbeit als Multiple in hoher Auflage produzieren lassen und lädt die Besucher*innen ein, die Postkarten einzeln mitzunehmen.
Querung
Agnes Müller erkundet Räumlichkeiten und urbane Dynamiken mit Hilfe von Bewegung. Wie bewegen sich Menschen durch einen Raum? Wie werden sie geleitet? Wer weicht wem aus? Wie unterscheiden sich Hierarchien der Bewegung im öffentlichen und musealen Raum?
Ausgangspunkt ihrer Arbeit „Querung“ ist der Fußgängerüberweg, der vom Schwenninger Bahnhof direkt auf das Gebäude der Städtischen Galerie zuführt. Dieses Verkehrszeichen verdichtet die Künstlerin zu einer reduzierten Form von neun weiß gestrichenen Bautenschutzmatten, die sie für die Dauer der Ausstellung übereinander gestapelt über den Zaun der Galerie gelegt hat. Mit dieser zeichnerischen Geste markiert und untersucht die Künstlerin die Grenze zwischen öffentlichem und musealem Raum.
Back and forth, forever
Während der Öffnungszeiten der Städtischen Galerie bleibt den zahlenden Besucher*innen das Kunstwerk von Jochen Wagner verwehrt. Erst mit Schließen der Galerie und dem Ausschalten der Beleuchtung, wird die Projektion eingeschaltet. So ist ab dem Anbruch der Dunkelheit, zwischen 18 und 6 Uhr, der Künstler in Rückenansicht zu sehen, der in scheinbar nie endender Wiederholung die Fenster der Galerie streicht und wieder reinigt.
Jochen Wagner thematisiert dabei das Verhältnis zwischen Innen und Außen, zwischen Erscheinen und Vergehen, zwischen Bewegung und Blockade. In immer wiederkehrender Schleife spielt die Arbeit mit der Frage nach Durchlässigkeit und Grenze und dem Verständnis von Beharrlichkeit und Dauer.
Ich stütze sein Wagnis (JetztHier)
Das Bildmotiv der in Schwenningen entstandenen Arbeit von Jochen Wagner ist eine Naturstudie aus dem unmittelbaren Umfeld der Galerie. In einer eigens entwickelten Technik setzt Wagner einen handelsüblichen Flachbrettscanner ein, um das Bild dieser Wildpflanze in ihrer selbst gewählten Umgebung einzufangen.
In siebenfacher Vergrößerung platziert er diese Aufnahme im ehemaligen Gewächshaus der „Kienzle Villa“ die heute als überdachter Veranstaltungsraum genutzt wird. Sowohl Wildpflanze als auch ihr Abbild stehen dabei an einem Ort, der nicht für sie geplant ist. In regelmäßigem Rhythmus wird das Gewächshaus von oben durch einem auf dem Vordach platzierten Rasensprinkler gewässert.
Großzügig gefördert durch: